Wechselstrom

Elektronik AC

Bevor wir uns Gleichrichterschaltungen ansehen, sollten wir einen kurzen Blick auf das Thema Wechselstrom werfen.

Wechselstrom

Bis jetzt haben wir ausschließlich mit Gleichstrom (DC) gearbeitet und wir werden dies auch weiterhin tun. Um Gleichrichter besser zu verstehen, sollten wir aber auch einen kurzen Blick auf Wechselstrom (AC) werfen. Während wir Gleichstrom von der Arbeit mit dem Arduino und dem Bau von Niederspannungsschaltungen kennen, wird in den meisten Teilen des Stromnetzes und auch in den Steckdosen in unseren Häusern Wechselstrom verwendet. In diesem Tutorial werden wir die Gründe dafür kennenlernen und uns mit den Grundlagen des Wechselstroms vertraut machen.

Disclaimer
Bitte denke daran, dass Elektrizität gefährlich ist. Schütze dich und experimentiere niemals mit Netzspannung. Wir werden in einer kommenden Projektreihe eine Niederspannungs-Wechselstromquelle für sichere Experimente mit Gleichrichtern bauen.

Fangen wir ganz am Anfang an. Was ist AC und was ist der Unterschied zu DC? In Gleichstromkreisen fließt der von der Stromversorgung gelieferte Strom stets in eine Richtung. Diese Richtung wird durch die feste Polarität der Spannungsquelle bestimmt. Das ist genau das, was wir von Batterien, USB, Labornetzgeräten und vielen anderen Spannungsquellen kennen.

Ein Wechselstromnetzteil verhält sich ganz anders. Es gibt keine feste Polarität. Schaut man sich Schuko- oder Eurostecker an, kann man dies leicht feststellen. Die Stecker passen sowohl in die eine als auch in die andere Richtung in die Steckdose. Es ist egal, welche Richtung man wählt, das angeschlossene Gerät funktioniert trotzdem. Die Richtung des Stromflusses bei der Verwendung einer Wechselstromquelle wechselt ständig, wie es der Name bereits vermuten lässt. Wenn wir von Wechselstrom sprechen, bedeutet dies in der Regel, dass die Strom- und Spannungskurven der Form einer Sinuskurve folgen. Diese Sinusform wird z. B. durch Synchrongeneratoren in den Kraftwerken erzeugt.

Das Bild unten zeigt den Spannungsverlauf von 230 V AC mit einer Frequenz von 50 Hz. Dies entspricht dem, was in europäischen Haushalten genutzt wird. In den USA wird eine Spannung von 110 V (oder 120 V) mit einer Frequenz von 60 Hz verwendet. Was dir beim Betrachten des Diagramms vielleicht auffällt, ist, dass die Spannung ein Maximum von 325 V erreicht. Dies ist kein Fehler, sondern beabsichtigt. 230 V AC ist nicht die maximale Spannung, sondern die sogenannte Effektivspannung.

Spannungsverlauf einer 230V 50 Hz Wechselstromquelle

Ein AC-Signal kann durch die folgenden Parameter charakterisiert werden:

  • Periodenlänge
    Zeit, die benötigt wird, bis sich der Spannungsverlauf wiederholt
    \(T = 20 ms\)
  • Frequenz
    Anzahl der Zyklen pro Sekunde
    \(F = {1 \over T} = 50 Hz\)
  • Spitzenspannung
    Maximal erreichte Spannung
    \(U_s = 325 V\)
  • Spitze-Tal-Wert
    Spannungsdifferenz zwischen der niedrigsten und der höchsten Spannung
    \(U_{ss} = 650 V\)
  • Effektivwert
    Ein Wert, der angibt, welche Gleichspannung die gleiche Menge an elektrischer Leistung an eine Last mit festem Widerstand liefern würde.
    \(U_{eff} = {U_s \over {\sqrt 2}} = 230 V\)

Während die meisten dieser Messgrößen leicht zu verstehen sein sollten, ist die Effektivspannung (auch Root-Mean-Square oder kurz RMS Spannung) möglicherweise ein wenig erklärungsbedürftiger. Wie du wahrscheinlich bemerkt hast, ist dies die Spannungsangabe, die wir üblicherweise verwenden. Es ist auch die Spannung, die auf Steckern und Geräten angegeben ist. Aber warum wird nicht einfach die Spitzenspannung verwendet? Nun, der Spitzenwert mag zwar interessant sein, wenn sichergestellt werden soll, dass die Maximalwerte der verwendeten Komponenten nicht überschritten werden, aber im Allgemeinen ist er nicht so wichtig. Die Spitzenspannung wird in jedem Zyklus nur für eine sehr kurze Zeit geliefert. In dem Moment, in dem die Spannung den Nullpunkt durchläuft, fließt dagegen gar kein Strom und es wird keine Arbeit verrichtet. Wenn wir die durchschnittliche Leistungsaufnahme eines Wechselstromgerätes berechnen wollen, können wir also nicht einfach Strom und Spannung multiplizieren. Keines von beiden ist mehr ein fester Wert. Eine Möglichkeit, dieses Problem zu lösen, ist die Verwendung von Integralen. Durch die Verwendung der Effektivspannung können wir dies jedoch viel einfacher umsetzen. Die Effektivspannung ist definiert, als die Gleichspannung, die erforderlich ist, um die gleiche Menge an Leistung für eine Last mit einem festen Widerstand zu liefern. Bei einer Sinuswelle entspricht dies der Spitzenspannung geteilt durch \(\sqrt 2\). Der Effektivstrom \(I_{eff}\) kann auf die gleiche Weise berechnet werden.

Wenn wir eine Last mit einem festen Widerstand von \(R = 1 kΩ\) haben, kann die Leistungsaufnahme analog zu Gleichstromkreisen berechnet werden. Dazu kombinieren wir das Ohmsche Gesetz und die Formel zur Berechnung der Leistungsaufnahme, um die Leistung direkt aus Widerstand und Spannung zu berechnen:
\(R = {U \over I}\)
\(P = U \cdot I = {U^2 \over R}\)

Für unsre Wechselstromschaltung verwenden wir dann einfach die Effektivspannung als Spannungswert:
\(P = {{U_{eff}}^2 \over R} = {{230 V}^2 \over {1 kΩ}} \approx 53 W\)

Natürlich könnten wir auch das ohmsche Gesetz verwenden, um zunächst den Effektivstrom zu berechnen, der durch den Widerstand fließt, um dann in einem zweiten Schritt die Leistungsaufnahme durch Multiplikation von Effektivspannung und Effektivstrom zu berechnen. Die Effektivwerte können in dieser Berechnung genauso verwendet werden, als wären sie Gleichstromwerte. Sehr praktisch.

Übrigens wird die Effektivspannung oft als AC 230V oder 230 VAC angegeben. Dies macht deutlich, dass es sich nicht um eine konstante Spannung handelt, wie wir sie aus Gleichstromkreisen kennen, sondern um die Effektivspannung, wie sie bei Wechselstrom verwendet wird.

DC oder AC?

Warum verwenden wir in fast allen Projekten und Tutorials Gleichstrom? Warum gibt es Schaltungen und Geräte, die AC nutzen? Nun, das sind Fragen, die sich nicht mit einem einzigen Satz beantworten lassen. Es gibt viele Gründe dafür, sich für die eine oder die andere Technologie zu entscheiden. Jede von ihnen hat Vor- und Nachteile. Letztendlich läuft alles auf die Frage hinaus, welche Eigenschaften von AC oder DC für die jeweilige Schaltung oder das Gerät benötigt werden. Lassen Sie uns also einen kurzen Vergleich anstellen und die historischen Hintergründe betrachten. Letztere erklären, warum wir heutzutage AC in unseren Häusern einsetzen.

Der Stromkrieg

Ob Wechselstrom oder Gleichstrom besser ist, wird seit langem debattiert. Die Debatte gipfelte in den 19. Jahrhundert im sogenannten Stromkrieg. Dieser Krieg war zum Glück lediglich ein kommerzieller. Thomas Edisons Edison Electric Light Company favorisierte Gleichstrom in Verbindung mit ihren 110-V-Glühlampen. Der Unternehmer George Westinghouse mit seiner Westinghouse Electric Company, favorisierte ein Wechselstromsystem.

Der Stromkrieg ist dabei auch ein Krieg darum, wer die lukrativen Aufträge zur Beleuchtung von großen Städten bekam. Bei der Straßenbeleuchtung im späten 19. Jahrhundert wurden oft sogenannte Bogenlampen verwendet. Bogenlampen verwendeten zwei Kohleelektroden, zwischen denen ein Lichtbogen erzeugt wurde, der die Elektroden dazu brachte hell zu glühen. Diese Lampen hatten jedoch nur eine begrenzte Lebensdauer und bargen außerdem ein erhebliches Brandrisiko. Kurz gesagt, eine solche Lampe möchte man nicht in seinem Haus haben. Edisons Glühlampen hingegen ermöglichen eine relativ sichere Innenraumbeleuchtung. In den folgenden Jahren verdrängten sie die alten Bogenlampen weitgehend.

Während Edisons Glühlampen ein großer Erfolg waren, hatte das vorherrschende 110-V-Gleichstromsystem ein großes Problem: Die Übertragungsreichweite betrug weniger als eine Meile. Das Hauptproblem ist der Leistungsverlust, der durch den Widerstand der Kabel verursacht wird. Das bedeutete, dass Kraftwerke in der Nähe der Verbraucher benötigt wurden. Westinghouse hatte eine Lösung für dieses Problem. Sein Wechselstromsystem verwendete einfach eine höhere Spannung. Das reduzierte die Verluste in den Leitungen und ermöglichte viel größere Übertragungsreichweiten. Ein Vorteil, der sich auszahlte und zum Erfolg der Wechselstromsysteme gegenüber Gleichstromsystemen führte.

All das wäre jedoch nicht möglich gewesen ohne die Erfindung von Transformatoren, die eine einfache Umwandlung zwischen verschiedenen Wechselspannungen ermöglichten. Dadurch war es möglich, eine hohe Spannung für das Stromnetz zu verwenden und diese dann in die sichereren 110 V umzuwandeln, die für die Glühlampen im Haus verwendet wurden. Natürlich war Edison nicht sehr glücklich darüber, dass das Gleichstromsystem, an dem er mit seiner Firma mitverdiente, langsam von Wechselstromsystemen verdrängt wurde. Es begann eine hässliche Kampagne, in der Edison zu zeigen versuchte, dass das Wechselstromsystem von Westinghouse zu gefährlich sei, um überhaupt verwendet zu werden. Nichtsdestotrotz gewann der Wechselstrom diesen Krieg und die heutigen Stromnetze verwenden überwiegend Wechselstrom.

Außerhalb der Domäne von Stromnetzen und großen elektrischen Geräten ist Gleichstrom immer noch der Standard. Der Grund dafür ist einfach: Wechselstrom hat den großen Nachteil, dass in dem Moment, in dem sich die Stromrichtung umkehrt, keine elektrische Arbeit geleistet wird. Für Motoren, die genügend Trägheit besitzen, ist das kein Problem. Viele andere Schaltungen und Geräte werden damit aber nicht zurechtkommen. Das gilt vor allem auch für viele digitale Schaltungen und Mikrocontroller, die eine stabile, kontinuierliche Gleichstromversorgung benötigen.

Um Gleichstrom in Geräten bereitzustellen, werden Gleichrichterschaltungen verwendet, die Wechselstrom in Gleichstrom umwandeln. Über diese werden wir im nächsten Tutorial sprechen. Um die Netzspannung auf eine geeignetere Wechselspannung zu reduzieren, wird ein Transformator verwendet. Das Niederspannungs-Wechselstromsignal wird dann gleichgerichtet, gefiltert und in die erforderliche Betriebsspannung umgewandelt. Heutzutage wird dies meist durch einen Spannungsregler realisiert.

Leistungsverlust in Stromleitungen

Die Verluste in Stromleitungen sind zu einem großen Teil ohmsche Verluste. Wie wir im Tutorial über Leitfähigkeit und Widerstand gelernt haben, steigt der Gesamtwiderstand mit der Länge des Kabels. Um dies zu kompensieren, könnte man die Dicke des Leiters erhöhen, aber das ist teuer und im großen Maßstab unpraktisch. Es ist viel einfacher, einfach eine höhere Spannung zu verwenden.

Um dies zu verstehen, müssen wir uns ansehen, wie wir die Verlustleistung für die Leitung berechnen können. Unser Endziel ist es, eine bestimmte Menge an elektrischer Leistung \(P\) an den Zielort zu liefern. Abhängig vom Widerstand der Last wird ein Strom \(I\) durch sie fließen. Dies ist auch der Strom, der durch unsere Stromleitung fließen muss. Wenn wir den Widerstand der Stromleitung kennen, können wir diese Information zur Berechnung der Verlustleistung verwenden. Dies ist möglich, indem wir zunächst den Spannungsabfall über der Stromleitung berechnen und dann mit unserer klassischen Formel die Verlustleistung berechnen. Wir können dies jedoch auch in eine einzige Formel zusammenfassen:
\(P = I^2 \cdot R\)

Es ist leicht zu erkennen, dass die Verlustleistung quadratisch mit dem Strom ansteigt. Was können wir dagegen tun? Wenn wir die Spannung \(U\) erhöhen, können wir bei gleichbleibender Leistung den Stromfluss reduzieren. Dies lässt sich leicht erkennen, wenn wir einen Blick auf unsere klassische Formel für die Leistung werfen:
\(P = U \cdot I\)

Wenn wir die Spannung verdoppeln, benötigen wir nur die Hälfte des Stroms. Das wiederum reduziert die Verluste in der Stromleitung um den Faktor 4.

Das gilt natürlich auch für Gleichstromsysteme. Effiziente Gleichspannungswandler für hohe Spannungen und die dazugehörige Leistungselektronik waren aber erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts verfügbar. In den letzten Jahren wurden Hochspannungs-Gleichstrom-Leitungen (HGÜ) zu einer möglichen Alternative für Wechselstrom-Leitungen, insbesondere um die Verlustleistung über große Entfernungen zu reduzieren. Dies ist möglich, weil eine Reihe von Effekten, die die Verluste erhöhen, nur bei Wechselstrom und nicht bei Gleichstrom auftreten. Dies gilt insbesondere für den Skin-Effekt und kapazitive Verluste.

Ist Wechselstrom gefährlich?

Edison hat es sicherlich zu weit getrieben, aber seine Sorge über die Gefährlichkeit von Wechselstrom ist durchaus berechtigt. An dieser Stelle ist es jedoch wichtig zu beachten, dass Gleichstrom nicht per se sicher ist. Es kommt in erster Linie darauf an, wie viel Strom durch den Körper fließt. Bei einer hohen Spannung kann selbst bei einem vergleichsweise hohen Widerstand wie dem des menschlichen Körpers (ca. 500 Ω - 1 kΩ, bei trockener Haut kann er aber auch viel höher sein) eine erhebliche Strommenge fließen. Selbst Ströme im Bereich von einigen Milliampere können gefährlich werden. Es gibt aber tatsächlich auch einen Unterschied zwischen der Gefährlichkeit von Wechselstrom und Gleichstrom. Es gibt mehr als genug Experimente und Studien zu diesem Thema. Die Ergebnisse zeigen, dass der Loslassstrom - also der maximale Strom, bei dem man noch die Hand öffnen und einen Draht loslassen kann - bei Gleichstrom etwa 4 bis 5 mal höher ist als bei Wechselstrom. AC ist also tatsächlich gefährlicher als DC. Aber bis zu welcher Spannung kann man experimentieren, ohne zu riskieren, sich umzubringen? Dazu gibt es Richtlinien, wie die DIN VDE 0100-410, die festlegen, bis zu welcher Spannung keine Schutzmaßnahmen gegen das Berühren der Leitungen erforderlich sind. Eine Berührungsspannung, die auch für Kinder sicher sein sollte, liegt bei 60 V für DC und 25 V für AC. In Umgebungen mit einer hohen Luftfeuchtigkeit sind niedrigere Werte erforderlich. Jedoch gibt es keine endgültige Garantie, dass man bei diesen Spannungen keinen Stromschlag bekommt. Es hängt alles davon ab, wie genau man den Draht berührt, wie nass die Haut ist und welchen Weg der Strom durch den Körper nimmt. Es ist also gut, vorsichtig zu sein, egal ob es sich um Wechsel- oder Gleichstrom handelt.

Eine kurze Zusammenfassung

Was ist also mit dem Vergleich? Nun, ein solcher Vergleich ist nicht wirklich sinnvoll, da die Anwendungen für DC und AC sehr unterschiedlich sind. Aber da wir nun die Grundlagen sowie den historischen Hintergrund kennen, können wir einige Vor- und Nachteile für die beiden Technologien auflisten.

DC

  • Wird für die meisten Niederspannungsschaltungen und insbesondere für digitale Schaltungen benötigt
  • Spannungsumwandlung ist deutlich schwieriger, aber mit DC-DC-Wandlern und anderen Spannungsreglern möglich
  • Weniger gefährlich

AC

  • Einfache Spannungsumwandlung mit Transformatoren
  • Nur für bestimmte Geräte verwendbar (Glühbirnen, Wechselstrommotoren, Heizelemente ...)
  • AC-Geräte arbeiten oft mit Spannungen, die für Experimente von Laien nicht geeignet sind
  • Gefährlicher

Wie man sieht, gibt es gute Gründe, warum wir in fast allen unseren Projekten Gleichstrom verwenden. Audio-Schaltungen sind hier eine Ausnahme. Sie sind ein typisches Beispiel für Mixed-Signal-Schaltungen, die nicht nur mit analogen, sondern auch mit AC-Signalen arbeiten.

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